Exupéry: Management vulkanischer Unruhe - Das mobile Vulkanüberwachungssystem

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Exupéry

Exupéry: Management vulkanischer Unruhe - Das mobile Vulkanüberwachungssystem

01.07.2007 bis 30.09.2010

Prof. Dr. Matthias Hort

Universität Hamburg, Institut für Geophysik
Bundesstraße 55
20146 Hamburg

Sonderprogramm GEOTECHNOLOGIEN

Frühwarnsysteme im Erdmanagement

Ziel des Verbundes Exupéry ist die Entwicklung eines mobilen Vulkanüberwachungssystems, das im Fall einer vulkanischen Krise oder vulkanischer Unruhe schnell installiert werden kann. Für das System ist sowohl der Einsatz etablierter Technologien (z. B. Seismik, Deformationsmessungen) als auch erstmals die direkte Einbindung satellitenbasierter Beobachtungsmethoden geplant. Die Kommunikation zwischen den Stationen im Gelände erfolgt über ein drahtloses Netzwerk, das mit einer zentralen Datenbank verbunden ist, in der alle Daten aus den unterschiedlichen Quellen zusammengeführt werden. Nach Auswertung und Modellierung der Daten soll der aktuelle Aktivitätszustand des Vulkans charakterisiert und Warnstufen bestimmt werden. Die Untersuchungsergebnisse werden mit Hilfe eines Geoinformationssystems (GIS) visualisiert und den lokalen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt. Das Verbundvorhaben gliedert sich in insgesamt fünf Teilprojekte. Während im ersten und zweiten Teilprojekt die Einbindung bodenbasierter bzw. satellitengestützter Beobachtungsmethoden geplant ist, konzentriert sich das dritte Teilprojekt auf den Aufbau einer zentralen Datenbank, die Entwicklung der IT-Architektur und von Visualisierungswerkzeugen. Das vierte Teilprojekt befasst sich mit dem Aufbau eines Kommunikationsnetzwerkes und der Testinstallation des Gesamtsystems. Im Rahmen des fünften Teilprojekts sind Untersuchungen zur quantitativen physikalischen Modellierung und Dateninterpretation geplant. Im Rahmen des Verbundvorhabens wird der Kern eines Überwachungssystems entwickelt, das zum Nachweis der Funktionstüchtigkeit temporär auf den Azoren installiert wird.

Teilprojekt 1: Bodenbasierte Beobachtung
Im Rahmen des ersten Teilprojektes ist die Technische Universität Darmstadt zusammen mit dem Verbundpartner IfM-GEOMAR Kiel für die Anwendung bodenbasierter Beobachtungsmethoden zuständig. Die TU Darmstadt plant Deformationsmessungen mit Hilfe des bodengestützten Interferometric Synthetic Aperture Radar (InSAR). Deformationsmessungen liefern grundlegende Informationen über Spannungsaufbau und Spannungsänderungen in Vulkanen. So können mit Hilfe des InSAR bereits geringe Änderungen des Vulkangebäudes detektiert werden, wie z. B. Aufwölbung eines Lavadomes oder die Bildung von Kollapsstrukturen. Der große Vorteil der SAR-Interferometrie ist, dass Messungen außerhalb der Gefahrenzone von Vulkanflanken oder Kraterrändern durchgeführt werden können. Im Gegensatz zu sattelitengestützten Beobachtungen kann bodengestütztes InSAR beliebig oft eingesetzt werden, erlaubt jedoch nur eine räumlich begrenzte Aufnahme.

Das IfM-GEOMAR plant die Messung vulkanischer Gase mit Hilfe eines mobilen Absorptionsspektrometers. Durch Einsatz eines DOAS (Differential Optical Absorption Spectrometer) ist die automatische Echtzeitmessung der Gesamtemission von Schwefeldioxid und Brommonoxid möglich. Veränderungen dieser Emissionen, insbesondere des Gasverhältnisses, liefern wichtige Informationen über den Aktivitätszustand eines Vulkans und bilden eine wesentliche Datengrundlage zur Gefahrenabschätzung. Das DOAS entwickelt sich zunehmend zu einem Standardinstrument in der Vulkanologie, da dessen Gesamteigenschaften derzeit von alternativen Methoden nicht erreicht werden können. Nach Optimierung des Spektrometers und der Software soll das DOAS im Rahmen eines Feldtests auf den Azoren getestet werden.

Teilprojekt 2: Satellitengestützte Beobachtungen
Im Rahmen des zweiten Teilprojektes ist die Technische Universität München zusammen mit den Verbundpartnern Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Universität Hamburg für die Anwendung satellitenbasierter Beobachtungsmethoden zuständig. Die Arbeiten der TU München konzentrieren sich auf die satellitengestützte Messungen von Oberflächenverschiebungen mittels interferomtrischem Synthetic Aperture Radar (SAR). Mit SAR-Interferometrie können Bewegungen der Erdoberfläche im Bereich von Zentimetern bis Millimetern erfasst werden. Ziel des Vorhabens ist die Optimierung der zeitlichen Auflösung, indem die unterschiedlichen Einfallswinkel und der relativ schnelle Orbitzyklus (11 Tage) von TerraSAR-X genutzt werden. Weiterhin sind eine verbesserte Bestimmung signifikanter vulkanischer Bewegungen und eine Optimierung der örtlichen Abdeckung auch in vegetationsreichen Gebieten geplant. Im Gegensatz zu bodenbasierten Beobachtungen kann satellitengestütztes SAR für die großräumige Deformationsbeobachtung genutzt werden, ist jedoch von den Umlaufzeiten der Satelliten abhängig und hat deshalb eine eher geringe Wiederholungsfrequenz.

Das DLR übernimmt die Beobachtung vulkanischer Schwefeldioxid-Abgasfahnen mit Hilfe des satellitengetragenen UV Spektrometers GOME-2 (Global Ozone Monitoring Experiment). Durch satellitengestützte Messung des atmosphärischen Schwefeldioxids kann der Beginn oder die Zunahme vulkanischer Aktivität frühzeitig registriert werden. Diese Methode besitzt den Vorteil, dass große Areale und auch entfernt liegende Regionen beobachtet werden können. Ziel des DLR Vorhabens ist der Aufbau eines Beobachtungs- und Warndienstes, der auf GOME-2 Satellitendaten basiert. Zu den Arbeitsschwerpunkten zählen die Entwicklung von Algorithmen zur echtzeitnahen Ableitung von Schwefeldioxid-Gehalten in der Luftsäule sowie die Weiterentwicklung eines Trajektorienmodells zur Luftmassenrückverfolgung. Der geplante Beobachtungs- und Warndienst soll neben täglichen Karten über die Schwefeldioxid-Säulengehalte auch Schätzungen zur Schwefeldioxidemission ausgewählter Vulkangebiete liefern. Die satellitengestützte Beobachtung des DLR wird durch bodengestützte Messungen vulkanischer Gase, die vom Verbundpartner IfM-GEOMAR Kiel durchgeführt werden sollen, sinnvoll ergänzt.

Als weitere satellitengestützte Beobachtungsmethode wird sich die Universität Hamburg mit der Anwendung von Infrarotmessungen beschäftigen, mit deren Hilfe thermische Anomalien aufgrund vulkanischer Tätigkeit detektiert werden können.

Teilprojekt 3: Datenbank, IT-Architektur und Visualisierungswerkzeuge
Im Rahmen des dritten Teilprojektes ist die Ludwig-Maximilians Universität (LMU) München zusammen mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover (BGR) für die informationstechnologischen Komponenten des Vulkanüberwachungssystems zuständig. Es ist geplant, eine flexible Datenbankstruktur für die Multi-Parameter Datensätze des Verbundes aufzubauen. Hierfür müssen geeignete Schnittstellen geschaffen und einheitliche Datenaustauschprotokolle entwickelt werden, um multivariate Datenanalysen durchführen zu können. Sämtliche Daten und Datenanalysen sollen über ein Geographisches Informationssystem (GIS) visualisiert werden. Am Ende der Entwicklungsarbeit wird ein GIS basiertes Expertensystem vorliegen, das als Portal für die unterschiedlichen Datenquellen dient, Gefährdungsklassen in Form von Kartendarstellungen visualisiert und Werkzeuge zur Entscheidungsfindung bereitstellt. Im Rahmen der gemeinsamen Arbeiten wird von der LMU München eine bereits etablierte IT-Architektur zur Verwaltung seismologischer Daten zur Verfügung gestellt, die für das geplante Expertensystem ausgebaut und weiterentwickelt werden soll. Weiterhin beabsichtigt die LMU ein Verfahren zur automatischen Bestimmung des Vulkanaktivitätszustandes (Warnstufen) zu entwickeln, das auf Hidden Markov Modellen und Bayesische Belief Netzwerke beruht. Die GIS Nutzerschnittstelle wird als Unterauftrag von der Fa. Jena-Optronik GmbH entwickelt. Die BGR Hannover wird Datenaustauschprotokolle entwickeln und das Datenbanksystem des Verbundes aufbauen. Weiterhin wird eine Anbindung an seismologische Standardsoftware und die Integration externer GIS Datensätze (z. B. topographische Karten, Katastrophenpläne) sichergestellt.

Teilprojekt 4: Testinstallation
Die Universität Hamburg, die auch die Koordination des Verbundvorhabens übernimmt, ist für die Testinstallation des Vulkanüberwachungssystems zuständig. Eine Testversion des geplanten Überwachungssystems soll auf den Azoren installiert werden. Aufgrund erhöhter Seismizität und Flankenabsenkung wurde der Vulkan Fogo auf der Insel Sao Miguel für den Feldversuch ausgewählt. Die Universität Hamburg wird den Aufbau eines drahtlosen Kommunikationsnetzwerkes übernehmen und die Installation des Überwachungssystems am Vulkan Fogo vorbereiten und durchführen. Das terrestrische Beobachtungsnetzwerk soll durch marine OBS Aufzeichnungen ergänzt werden. Die Instrumente werden im Rahmen des amphibischen Experiments TRAGICA vor Sao Miguel ausgesetzt.

Teilprojekt 5: Quantitative physikalische Modellierung und Dateninterpretation
Das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) ist zusammen mit den Universitäten Hamburg und Potsdam an Untersuchungen zur quantitativen physikalischen Modellierung und Dateninterpretation beteiligt. Das GFZ Potsdam übernimmt hierbei Arbeiten zur Inversion von Dislokationsquellen und zur echtzeitnahen Spannungsberechnung. Auf Grundlage von Deformationsdaten, die von den Verbundpartnern TU Darmstadt und TU München mit Hilfe von InSAR gewonnen wurden, sollen Dislokationsquellen berechnet werden, um daraus wiederum die Spannungsverteilung im Vulkangebäude zu modellieren. Hierzu sind die Entwicklung von Inversionsmodellen sowie eine Kombination von etablierten numerischen und analytischen Verfahren erforderlich. Mit Hilfe der Untersuchungsergebnisse sind eine Bestimmung der Intrusionsgeometrie und eine Abschätzungen von Spannungs- und Druckänderungen möglich. Durch die Definition von Schwellenwerten können kritische Scherspannungen an Verwerfungen rechtzeitig detektiert und eine entsprechende Information über das geplante Frühwarnsystem generiert werden.

Die Universität Potsdam ist für den Bereich Echtzeitdatenanalyse und Klassifizierung vulkanisch-seismischer Ereignisse zuständig. Die im Rahmen des Verbundvorhabens anfallenden großen Datenmengen müssen in Echtzeit nach relevanten Signalanteilen für die physikalische Modellbildung durchsucht werden. Aus diesem Grunde ist geplant, Softwaremodule zur automatischen Signaldetektierung bzw. Klassifizierung zu entwickeln. Im Gegensatz zu Erdbeben, treten bei Vulkanen vorwiegend langperiodische seismische Signale (z. B. vulkanischer Tremor) auf, für deren Auswertung alternative Analyseverfahren entwickelt werden müssen. Mit Hilfe dieser Verfahren sollen Wellenfeldparameter und Aktivitätsparameter bestimmt werden, die zur Charakterisierung des vulkanischen Aktivitätszustandes dienen. Über ein weiteres Softwaremodul werden die Ergebnisse der Echtzeitanalysen in Form von Detektionsmeldungen an die Verbundpartner weitergeleitet.

Die Universität Hamburg plant die Entwicklung und Implementierung von Algorithmen zur Lokalisierung von Hypozentren, zur Abschätzung der Stärke vulkanischer Beben und zur Momententensorinversion.