Last Mile Evacuation

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Last Mile Evacuation

Last Mile Evacuation

01.05.2007 bis 30.04.2010

Prof. Dr. Torsten Schlurmann

Universität Hannover, Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen
Nienburger Straße 4
30167 Hannover

Sonderprogramm GEOTECHNOLOGIEN

Frühwarnsysteme im Erdmanagement

Ziel des Verbundvorhabens ist die Entwicklung eines Tsunami-Frühwarn- und Evakuierungsinformationssystems am Fallbeispiel der indonesischen Stadt Padang (West Sumatra). Unter Berücksichtigung detaillierter Erdbeobachtungsdaten und -techniken, soll ein kleinskaliges, hydro-numerisches Modell zur Simulation der Strömungsdynamik bei einer Überflutung des Stadtgebietes von Padang entwickelt sowie das Fluchtverhalten der Bevölkerung vor den einbrechenden Wassermassen modelliert werden.

Die Zielsetzung des Verbundvorhabens Last-mile Evacuation wurde in Abstimmung mit dem BMBF-Projekt Deutsch-Indonesisches-Tsunami-Frühwarnsystem (GITEWS) erarbeitet und stellt eine Ergänzung dieses Vorhabens dar. Last-mile Evacuation untersetzt die in GITEWS bereits gewonnenen bzw. noch zu erarbeitenden Erkenntnisse. Es unterstützt die Umsetzung technologischer Maßnahmen mit einem wesentlich detailreicheren Untersuchungsaufwand auf einer lokalen Skala von weniger als einem Meter am Beispiel der Stadt Padang. Eine enge Zusammenarbeit zwischen GITEWS und Last-mile Evacuation ist sichergestellt.

Das Vorhaben der Universität Hannover beschäftigt sich mit der Bestimmung der Wellenausbreitung und des Eindringens von Tsunamis in küstennahe urbane Räume, um daraus Informationen für das geplante Tsunami-Frühwarn- und Evakuierungsinformationssystem abzuleiten und bereitzustellen. Dazu soll die Ausbreitung einer langperiodischen Welle enormer Höhe im Küstenvorfeld mittels eines hydrodynamischen 3D-Modells abgebildet werden. Hieraus können Wasserspiegelanstiege und Strömungsgeschwindigkeiten in der Übergangszone Strand-Uferpromenade-Stadt abgeleitet werden. Mit Hilfe der ermittelten Wasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten und eines hoch aufgelösten Stadtmodells wird es möglich sein, die Parameter Wasserstand, Strömungsgeschwindigkeit und Strömungsrichtung an jedem beliebigen Punkt der Beispielregion für den gesamten Zeitraum eines simulierten Tsunami-Ereignisses mit einer räumlichen und zeitlichen Schärfe von weniger als einen Meter bzw. 5 Sekunden zu bestimmen. Die entwickelte Modelltechnik und das methodische Vorgehen am Beispiel Padang soll dokumentarisch und informationstechnisch aufbereitet und im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen vor Ort vermittelt werden.

Ziel des Vorhabens der UN Universität Bonn ist die Ermittlung von Indikatoren, um Schutzmöglichkeiten der Bevölkerung der Stadt Padang vor Tsunamis bewerten und unterschiedliche Schutzmaßnahmen untereinander in Bezug setzen zu können (Abschätzung der Vulnerabilität). Die bisher auf globaler Ebene genutzten Indikatoren sind für die Betrachtungen eines kleinräumigen Ballungsgebietes wie Padang nicht hinreichend aussagekräftig. Die neu zu definierenden Indikatoren werden zur Erarbeitung von Planungs- und Handlungsgrundlagen im Katastrophenfall, z. B. bei der Erstellung von Evakuierungsplänen, genutzt. Es ist vorgesehen, Informationen verschiedener Datenquellen zusammenzuführen und auszuwerten.

Das Vorhaben der Universität Würzburg sieht die Durchführung von detaillierten Analysen der physikalischen Vulnerabilität und des Risikos für die Region Padang hinsichtlich der Gefährdung durch Tsunamis vor. Weiterhin ist die Auswertung hoch aufgelöster Satellitenbildern zur Ableitung der Topographie und urbaner Strukturen sowie die Erarbeitung von Empfindlichkeitsparametern der Bebauung und Infrastruktur geplant. Neben Beiträgen zur 2-D Visualisierung wird die Universität Würzburg den Aufbau einer zentralen Geodatenbasis und eines projektbezogenen Informationssystems für die Eingangsdaten und für die Ergebnisse des Gesamtprojekts vornehmen.

Die Fa. TraffGo HT GmbH Duisburg wird zusammen mit dem Verbundpartner TU Berlin ein eindimensionales Modell erarbeiten, welches die signifikanten Abflusspfade (Straßen), potenzielle Retentionsräume (Plätze, Parkanlagen) und urbane Vorfluter (Flüsse, Entwässerungskanäle) auf Grundlage eines hochgenauen, digitalen Geländemodells detailgetreu abbildet. Diese Ergebnisse sollen von der TraffGo HT GmbH in wichtigen Teilbereichen durch Informationen (Krankenhäuser, Schulen oder öffentliche Einrichtungen) eines zweidimensionalen Modells ergänzt werden. Ausgehend von diesen Informationen werden Konzepte für die Räumung von Gebäuden und typischen Siedlungsstrukturen entwickelt und geprüft. Die TraffGo HT GmbH und die TU Berlin führen eine Analyse des Evakuierungspotenzials innerhalb von Gebäuden und typischen Wohnvierteln der Stadt Padang durch. Unter Einbeziehung zusätzlicher Daten aus Befragungen bezüglich der tageszeit- und wochentagspezifischen Handlungen und Aufenthaltsorte der Menschen in Padang, die von Verbundpartner UN Universität Bonn bereit gestellt werden, ist vorgesehen, Szenarien zur Simulationen der Räumung zu entwickeln, um Planungsfehler aufzudecken und Empfehlungen zur Vermeidung von Engpässen bei Evakuierungen ableiten zu können.

Die RSS GmbH Potsdam ist gemeinsam mit dem DLR für die Planung und Vorbereitung der Befliegung der Stadt Padang und ihrer Umgebung mit einem hochauflösenden Kamerasystem zuständig. Neben der Prozessierung der Rohdaten wird das DLR aus den Bilddaten ein hochgenaues digitales Oberflächenmodell ableiten. Nach der Messkampagne werden die Navigations- und Bilddaten mit einer am DLR entwickelten Software zu hochlagegenauen Bildern und Oberflächenmodellen verarbeitet. Diese Daten sind die Grundlage für die Erstellung der Stadtmodelle, Geländemodelle und Gefährdungsanalysen durch die RSS GmbH. Im Rahmen der Befliegungskampagne wird RSS Referenzdaten für die Gebäudestrukturtypen erfassen sowie eine repräsentative Zahl an Bodenkontrollpunkten mittels DGPS vermessen. Weiter wird eine fotographische, georeferenzierte Gebäudedatenbank wichtiger Objekte in der Stadt Padang angelegt, die später auch bei der fotorealistischen Visualisierung Verwendung finden wird. Ein aufwendiger Arbeitsschritt ist die Generierung des 3D digitalen Geländemodells aus den Oberflächendaten der Befliegung. Des Weiteren werden alle Einzelgebäude im Projektgebiet aus den Bilddaten erfasst und deren Höhen bestimmt. Für die Risikobewertung und die Evakuierungsplanung wird jedes Einzelgebäude durch visuelle Bildinterpretation einer Strukturklasse zugeordnet, z. B. Hütten in Holzbauweise mit Wellblechdächern, Häuser in Ziegelbauweise, mehrstöckige Häuser in Betonbauweise. Mit Hilfe einer von der RSS GmbH entwickelten Prozessierungskette werden die Einzelgebäude in ein 3D Modell der Stadt und Küstenregion überführt. In Zusammenarbeit mit dem Verbundpartner Universität Bonn wird eine webfähige Applikation entwickelt, mit deren Hilfe die 3D-Topographie, das 3D Stadtmodell und die wesentlichen abgeleiteten Gefährdungskarten über ein interaktives Webtool visualisiert werden.